20 August 2007

Von "britischen Verhältnissen" und "deutschen Verhältnissen"

Hinsichtlich des Kampfes der Interessengruppen und ihren teils sehr raffinierten Strategien zur Interessendurchsetzung wird von Neoliberalen gerne behauptet, dass dies, naturgemäß und in allen seinen Erscheinungen zur "offenen Gesellschaft" gehöre - und somit nicht kritisiert oder gar reguliert werden dürfe. Oder aber, und das wird von Neoliberlalen noch vehementer verfochten, man meint, dass es die Aufgabe des Staates sei, "für die Wirtschaft" bzw. für ökonomische Interessengruppen einseitig Position zu beziehen.

Tatsächlich sind die Herren Sinn, Miegel, Raffelhüschen & Co sich furchtbar einig darin, und all die anderen Unterzeichner der "Hamburger Erklärung", dass sich der Staat nicht auf die Seite von Verbrauchern und Arbeitnehmern stellen dürfe - aber die Einzelinteressen ökonomischer Eliten und Großunternehmungen genau beachten solle. Wegen dem "Wirtschaftsklima" oder so. Abenteuerlich hohe Managerlöhne seien kein Problem, aber moderate Mindestlöhne würden unser Land in Abgrund reißen.

Streiken zu hoch bezahlte Ärzte (die als klassisch Priviligierte und "Leistungsträger" zu den Lieblingen der Neoliberalen rechnen), dann wird dies von Neoliberalen unterstützt, streiken hingegen unterbezahlte Lokführer, dann wird sogleich vor "britischen Verhältnissen" gewarnt. Was auch immer das sein mag.

Wovor ich mich hingegen doch etwas fürchte, das sind diese Verhältnisse, das ist dieser zutiefst verkorkste Zustand unserer Eliten, welche vor den Interessen der kleinen Leute und Normalbürger warnen, während sie auf deren Kosten für "Reformen" trommeln. Welche Gesetzestexte mit-formulieren, in denen es heißt, dass das Gesetz den Renditeinteressen der Produzenten und Erzeuger diene. Die sich für Partikularinteressen jederzeit kaufen lassen, z.B. für Interessen der Versicherungswirtschaft, und diesen offenen Betrug am Gemeinwohl in den Medien als "neutrales Expertentum" ausgeben.

Nicht die "britischen Verhältnisse" sind das Problem, das Problem sind die deutschen Verhältnisse.